Nichts Besonderes

Wir haben Bilderbuchwetter,und das lange Osterwochenende steht vor der Tür. Abends ist es noch ein bisschen hell, wenn ich nach Hause komme. Die Zeit habe ich genutzt, um mit Donovan zu kuscheln, ihn zu putzen, Hufe geben zu üben und natürlich weiterhin Führtraining. Nichts Besonderes halt…


Gartenarbeit? Nein danke!

Die sonnige Frühlingsluft lockt die Gartenbesitzer nach draußen. Überall wird geräumt, umgegraben und Laub geharkt, es werden neue Blumen gepflanzt, und die ersten Wäschespinnen recken sich gen Himmel. So auch in den Gärten, die mein kleineres Weidestück begrenzen und die von Donovans Paddock gut einzusehen sind.

Donovan verfolgt das Spiel argwöhnisch: Leute kommen und gehen, bücken sich und verschwinden, um dann aus dem Nichts wieder aufzutauchen. Donovan muss zugeben: Sie sind noch weit weg, aber was, wenn sie näherrücken? Als die große Wäschespinne aufgeht, an der bald dunkle Wäschestücke im Wind baumeln und die auch noch in der Sonne glänzt, ist er mit seiner Geduld am Ende. Ein lautes Prusten, und Donovan trabt mit hoch erhobenem Schweif seinen Paddock auf und ab. Den Kopf hoch in den Himmel gereckt beobachtet er jede der Bewegungen in 100 m Entfernung. Ein echter Angeber, von dem sich der Feind in der Entfernung aber offenbar nicht aus der Ruhe bringen lässt.

Ich bin gekommen, um Cera auf dem Außenplatz zu reiten. Ich beeile mich, sie zu satteln und Donovan so zu zeigen: Eh, cool down, nichts los hier. Guck dir Cera an.
Das gelingt aber nur teilweise. Er ist von den Aktivitäten so was von gefangengenommen, dass er nicht mal sein Heu fressen kann.

Ich reite Cera eine gute halbe Stunde – sie ist ausgesprochen gut drauf – und stelle sie weg. Nun will ich Donovan etwas mehr Bewegung auf dem Platz verschaffen. Wenn er schon rennen will, dann soll er, aber bitte mit reichlich Platz auf weichem Boden. Heute bin ich schlauer und habe die Kamera im Anschlag. Aber Donovan sorgt wieder für eine Überraschung. Jetzt, wo er offiziell toben darf, will er nicht mehr. Am anderen Ende des Reitplatzes stehen Evi und Birgit, die ihr Pferd bei mir untergestellt haben. Die geht er in aller Ruhe besuchen. Ein Wedeln mit der Peitsche bringt ein paar lange Seiten Trab hervor. Das ist alles. Kaum, dass ich in der Mitte stehe, wendet er sich mir zu. Da wo ich hingehe, folgt er. Ich kann mit Blicken seinen Hintern dirigieren, ihn nur mit Blickkontakt zu mir drehen. Den beiden Zaungästen übergebe ich meine Kamera: Ist nichts zu filmen heute, Donovan ist wieder ganz das Hundchen. „Wir kennen ihn ja nur so“, kommt die Antwort. Na gut denke ich und lege ihm den Führstrick um den Hals, um ihn in seine Box zurückzubringen.

Ich komme bis zum hinteren Ausgang des Platzes. Ab da ist die Sicht auf den Garten, der so emsig beackert wird, gesperrt. Und Donovan kann nicht weitergehen! Er will die Frau aus dem Garten nicht aus den Augen verlieren! Ich motiviere ihn ein bisschen mehr, mitzukommen – und Donovan stürmt auf und davon. Den Strick habe ich wieder in der Hand das Pferd studiert die Situation von der Bahnmitte aus. Amüsiert er sich???

Macht nichts. Ich gehe auf ihn zu, er kommt auf mich zu – und wir wiederholen das Schauspiel – inklusive wegrennen. Ich bleibe ganz ruhig. Nein, ich werde ihn auch nicht andersherum durch die Reitplatzpforte und die Stallgasse nach Hause bringen. Ich bleibe hartnäckig.

Beim dritten Versuch endlich kommt er mit. Was für ein Racker! Am späten Abend besuche ich ihn noch mal und gebe ihm eine ausgiebige Putzsession. Lose Haare abkratzen und kraulen ist angesagt. Donovan genießt es sichtlich. Ich kann ihn hin und her schieben, er folgt mir, wenn ich einen Schritt zurückgehe. Donovan ist das erste Pferd, das ich sehe, das sich mühelos selbst mit den Zähnen an der Schweifrübe kratzen kann. Ein Gummitier!


Das Wildpferd ist zurück

Samstag Nachmittag. Das Wetter ist immer noch freundlich, aber die Sonne geht zurück und es ist deutlich kälter gegenüber dem Vormittag geworden. Zeit, um Donovan mal zu zeigen, wie sich sein neuer Kappzaum anfühlt. Er lässt ihn sich willig überstreifen und auch zumachen. Dann klicke ich das lange Führseil ein. Das macht ihn beim Führen ein bisschen unruhig, weil der Karabinerhaken mit den Ringen des Kappzaums klimpert.

Und dann passiert es wieder: Urplötzlich schmeißt er sich zurück, will sich losreißen. Ich bin darauf vorbereitet und kann ihn halten. Und der Kappzaum ist auch nicht an den Nähten aufgerissen, obwohl wirklich viel Zug darauf war. Nach einer weiteren Runde im Schritt mit Halten und ein paar Zirkelrunden im Schritt entscheide ich, ihn abzuklinken, damit er alleine mit dem Kappzaum über den Platz schlendern kann. Er braucht wenige Sekunden um in die Mitte zu laufen – und dann „die wilde Sau“ rauszulassen. Er tobt und buckelt, schlägt nach hinten aus, hat die Vorderbeine in der Luft. Und wenn er galoppiert, nimmt er aus den Ecken tüchtig Anlauf für die langen Seiten. Unglaublich, was der sich bewegen will. Schade, dass ich wieder die Kamera nicht bei mir habe.

Nach zwei Minuten ist der Spuk vorbei. Er kommt zu mir getrabt und baut sich schnaufend vor mir auf. Ich kann ihn streicheln und weggehen, er folgt völlig ruhig und gelassen. Verstehe einer dieses Pferd!

Ich lasse es dabei bewenden und bringe ihn zurück.

Bilderbuchwetter!

Was für ein tolles Wetter: Sonne satt und an die 20 Grad warm. Die Pferde genießen die Sonne, wollen gar nicht toben. Sind auch ein bisschen matt von der plötzlichen Wärme. Mit der Sonne tanzen auch gleich wieder die Mücken.

Ich habe den Tag genutzt und ein bisschen draußen aufgeräumt. Jeder Stallbesitzer kennt das: Über den Winter haben sich Müllecken gebildet: Kaputte Weidestecken, die in der Ecke liegen, überall altes Laub, das der Wind in den hintersten Winkel geweht hat. Mit den ersten warmen Sonnenstrahlen wird es auch Zeit, die Weideumzäunung zu kontrollieren, kaputte Pfähle zu ersetzen. Ich habe den Reitplatz vom alten Herbstlaub befreit und ihn wieder plangezogen. Bisher war es auf Grund der Nässe ja leider nicht möglich. Gleiche Pflege wollte ich auch dem großen Paddock angedeihen lassen, aber der war doch noch zu nass. Mal sehen, ob es morgen Nachmittag geht.

Mit dem Pferden habe ich erst am späten Nachmittag etwas tun können. Vorher war es einfach zu warm. Das Winterfell löst sich jetzt in großen Placken. Egal, wie lange man putzt, es kommen immer mehr Haare. Ich putze außen in der Paddockbox. Die Haare sind für die Vögel eine komfortable Nestausstattung.

Später konnte ich zwei Kolkraben beobachten, die emsig Ceras Haarbüschel einsammelten und davonflogen.

Donovan läuft mir inzwischen hinterher wie ein Hundchen. Ich kann ihn inzwischen am Hals angefasst in seinen Stall oder auf den Reitplatz führen. Während ich Laub geharkt habe, durfte er mich begleiten. Er hat den Platz aufs Genaueste inspiziert, jeden Winkel untersucht. Ab und zu hat er meine Arbeit kontrolliert, mir beim Harken zugesehen.

Nachdem er den Platz kennengelernt hat, durfte er hier auch seine Führübungen absolvieren. Draußen ging es sehr gut. Auf beiden Händen kam er willg mit – am Zaun entlang ebenso wie quer durch die Mitte. Und das, obwohl Haflinger Asterix mit auf dem Platz war und durch viel Schnalzen muntergemacht wurde. Zwischendurch lobe ich reichlich, streichle ihn ausgiebig. Leckerlis gibt es nun keine mehr.

Auch ein paar Runden auf dem Zirkel gingen problemlos. Wenn die Sonne untergeht, wird es schlagartig dunkel. Die letzten Runden drehten wir dann auch in der Dämmerung, und das ist Donovan doch recht unheimlich. Er muss mehr zum Wall, der meinen Reitplatz einsäumt, gucken, und auch in der angrenzenden Hecke lauern Monster, die es ganz besonders auf schwarze Pferde abgesehen haben!

Bevor er sich dabei aufregt, habe ich Schluss gemacht. Ich bin sehr zufrieden. Es scheint inzwischen auch eine Bindung zu entstehen. Wenn ich an seinen Paddock gehen, wendet er sich sofort mir zu, kommt angeschlendert. Besonders eilig hat er es dabei allerdings nicht. Dann lässt er sich ein bisschen kraulen.

Ich mache es mir zur Gewohnheit, ihn immer ein wenig von mir wegzudrehen, seine Position zu verändern. Mal schicke ich die Hinterhand etwas herum, mal Kopf und Schulter, mal schicke ich ihn rückwärts. Ich möchte, dass er sich ganz leicht durch Anlegen der Hand dirigieren lässt.

Das klappt täglich besser. Morgen werde ich ihn mal mit dem HSH-Kappzaum „erschrecken“. Ich glaube, es ist Zeit, dass er seine Ausrüstung für die nächsten Monate kennenlernt.
Morgen werde ich mal wieder ein paar Aufnahmen machen. Werden bei dem Sonnenschein bestimmt grandios.


Gut geführt ist halb gewonnen

Das Führtraining mit Donovan geht weiter. Heute benutze ich wieder die Parelli-Ausrüstung, allerdings mit einer weißen Dressurgerte, damit er sie gut sehen kann. Er kommt willig in die Halle mit – ein bisschen träge, aber willig.

In der Halle gehe ich in größerem Abstand zur Bande, linke Hand. Wie gestern. Bei jedem kleinen Zögern zeige ich mit der Gerte auf seinen Hintern. Das bringt ihn gleich nach vorne. Also schon deutlich besser, als gestern. Allerdings muss ich die Gerte mit der rechten Hand halten. Ich kann noch immer nicht mit der linken Hand hinter mich reichen, um ihn anzutreiben. Da muss er irgendein schlechtes Erlebnis mit verbinden, oder es bedroht ihn irgendwie.

Schließlich kann ich sogar direkt an der Bande gehen. Er bleibt neben mir, Kopf eine Idee vor meiner Schulter. Das ist gut. Somit komme ich neben seine Schulter. Ich lobe ihn ganz arg, streichle ihn während wir gehen.

Zwischendurch heißt es immer wieder „Haaaaalt“. Denn gerade das Antreten und Mitkommen ist ja die Schwierigkeit. Nach zwei Runden wechsle ich wieder die Hand. Auch hier geht es mit Hochhalten der Gerte. Ich muss ihn nicht mehr auf der Kruppe berühren, es genügt das Zeigen. Allerdings auch nur mit der linken Hand.

Dann probiere ich wieder, ihn im Kreis um mich herumgehen zu lassen. Das macht er artig, auch im Trab, hält aber nach einer Runde von selbst an und will sich umdrehen. Das lasse ich nicht zu, zeige wieder in die „richtige“ Richtung, unterstütze mit dem weißen Stöckchen. Ich passe auf, dass er viel Raum zum Losmarschieren bekommt. Kein Einengen zur Bande hin oder in der Ecke.

Überhaupt habe ich mir vorgenommen, es noch nicht auf eine Konfrontation ankommen zu lassen. Donovan soll lernen, dass er probieren darf, Fehler und Fehlverhalten werden nicht bestraft. Es wird lediglich wiederholt.

Auch als er einmal versucht, durch Rückwärtsziehen zu entkommen, biete ich keinen Widerstand mehr. Immer dann, wenn etwas nicht so läuft, wie er es will, beginnt er zu scharren. Ein Zeichen von Unsicherheit? Weil er nicht weiß, was ich von ihm erwarte? Ich kann es noch nicht sagen. Wenn dem so ist, dann muss ich den Weg mit aller Ruhe weitergehen, darf die Unsicherheit nicht durch grobe Gesten unterstützen.

Nach 15 Minuten belohne ich ihn, indem ich Halfter und Seil abnehme. Er darf alleine laufen. Der erste Weg führt ihn zum Ködelhaufen von gestern. Er „liest wieder Zeitung“, aber die Nachrichten sind nicht mehr so interessant, Nachrichten von gestern halt.

Nach wenigen Minuten kommt er zu mir. Ich gehe ein Stück in zur Hallenmitte und dann an die Bande. Weil er nicht gleich folgen will, zeige ich wieder mit der Gerte auf seinen Popo – und es funktioniert. Nun gehe ich mit ihm an der Bande entlang, meine Hand auf seinem Mähnenkamm. Auch hier übe ich das Anhalten und wieder Antreten. Zum Anhalten muss ich die Gerte vor ihn halten oder meinen Arm.

Aber ich kann spüren, dass seine Unsicherheit schwindet. Das hat also gut geklappt, ich kriege ihn sogar durch die Ecken durch. Nach zwei Runden mache ich auch hier Schluss. Ich gehe weg und hole Knotenhalfter und Strick. Beide Sachen verstecke ich nicht hinter meinem Rücken, sondern gehe damit forsch auf ihn zu. Er macht keine Anstalten, sich wegzudrehen oder gar wegzulaufen. Auch ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Noch einmal führe ich ihn die Bande entlang und versuche nun, ihn etwas schneller gehen zu lassen – ein paar Schritte im Trab, ich will nebenherlaufen. Das geht noch gar nicht. Es regt ihn auf, wenn ich nebenherlaufe. Bin ich schnell, bremse ich ihn aus. Bin ich zu langsam und gerate zu weit neben ihn, fühlt er sich bedroht und versucht sofort, mir den Hinter entgegenzustrecken und mich zu bedrohen. Ich werde es morgen noch einmal versuchen und in großem Abstand auf dem Zirkel mitlaufen. Mal sehen, ober das ertragen kann.

Nun müssen wir wieder Richtung Stall – und aus der Halle raus. Das klappt wieder nicht auf Anhieb. Wieder muss er den Ausgang sekundenlang „abriechen“. Er würde sich auch zu gern wieder an der Tür scheuern. Das darf er natürlich nicht. Und ich fordere ihn nach zwei, drei Versuchen auch gleich mit der Gerte auf, mitzukommen. Auf diese Spielchen will ich mich nicht einlassen.

Als Ritual etabliere ich: Ich führe ihn immer in seine Box bis ans hinterste Ende, mache dann Halfter und Strick ab und lege ein Leckerli in seine Krippe. Wenn er das immer akzeptiert, kann ich ihn auch mal gleich in die Box sperren, falls nötig. Beim Abnehmen des Halfters achte ich darauf, dass er VOR dem Trog wartet, nicht den Kopf schüttelt oder versucht, sich an mir zu scheuern. Er MUSS geduldig stehen, bis ich den Knoten aufgeknüpft habe – auch wenn es mal etwas länger dauert.

Alles in allem bin ich mit den kleinen Fortschritten zufrieden. Wenn es weiter so gut geht, kann ich nächste Woche mit dem Führen nach HSH beginnen und ein „Stell dich gerade“ abfragen. Das mag ihn etwas mehr vom Kopf her beschäftigen. Auch an den Spanischen Schritt denke ich schon, das gibt ihm etwas mehr Arbeit und Kooperation.

Wie ihr seht: Es bleibt spannend!