1. Apr.. 2009 | Stallgeflüster
Es ist gegen halbsieben Uhr morgens, und ich dämmere meinem neuen Arbeitstag entgegen. Eine gute Stunde bleibt mir noch, als ich von einem ohrenbetäubenden Maschinenlärm aus meinen Träumen gerissen werde. Ein Panzer der Bundeswehr? Das Müllfahrzeug aus dem Nachbardorf? Ich schrecke hoch und schaue aus dem Fenster. Der Nebel ist so dicht, dass ich nicht bis zur Reithalle sehen kann. Aber dann erkenne ich das Fahrzeug. Es ist „nur“ der Bauer mit seinem Megatrecker (groß wie ein Einfamilienhaus) und Miststreuer hintendran, der kommt, meine Mistplatte zu leeren.
Wieder einmal hat er sich nicht wie vereinbart einen Tag vorher angemeldet. Ich stürze mich in meine Stallklamotten und renne nach draußen. Muss unbedingt die Pferde vorher auf den Auslauf lassen, ehe alle Tore aufgerissen werden. Ich komme zu spät, der Bauer hat Trecker, Hänger und Radlader schon in Position gebracht. Ich mache alle Tore zur Straße hinter ihm zu.
Donovan steht neugierig am Zaun. „Oh, endlich was los hier“, scheint er zu sagen. Von Ängstlichkeit keine Spur. Ich kann ihn problemlos an den Riesenmaschinen vorbeiführen – sogar ohne Halfter und Strick. Ich habe also wider Erwarten ein „cooles“ Pferdchen, dass sich was traut!
Gemächlich watschelt er in die Stallgasse, um erstmal seine Kumpels durch die Frontgitter zu begrüßen. Einen nach dem anderen lasse ich nun raus. Auf dem Weg zum Paddock fallen alle Pferde in den Galopp, um dann wild bockend ein paar Runden dort zu drehen, ehe sie sich dem Heu widmen, das ich schon am Abend zuvor dort deponiert hatte. Ein hübsches Bild: Fröhliche Pferde im Nebel. Schade, dass ich meine Kamera nicht dabei habe.
31. März. 2009 | Ausbildung
Heute abend gab es eine weitere Einheit „Wie führe ich mein Pferd?“. Donovan kann offenbar ein rechter Sturkopf sein – Ausdauer gepaart mit „das will ich nicht!“. O.k. Er hat mich herausgefordert, ich nehme die Herausforderung an – aber anders, als er sich das gedacht hat.
Meine Ausrüstung heute: Weiches Stallhalfter, langer Naturstecken und das lange Führseil. Diesmal gehe ich nicht direkt an der Bande, sondern in 2 Meter Abstand. Gleich in der Ecke der erste leichte Widerstand. „Was macht sie, wenn ich zurückziehe?“
Sie macht nichts, gibt eher nach und folgt ihm – um ihn dann wieder zum Mitkommen aufzufordern. Eine ganze lange Seite klappt prima. Ich halte an, lobe ausgiebig. Immer wieder ist es das Antreten, das ihm Schwierigkeiten bereitet. Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, mich nicht mehr auf „Kraftziehen und Gegenhalten“ einzulassen, jedenfalls im Moment nicht.
Nachdem linksherum so einigermaßen geht, versuchte ich die andere Hand. Auch die klappt so leidlich. Immer wieder versucht er, sich hinter meinem Rücken zu verstecken. Das lasse ich nicht zu. Nach ein paar Runden höre ich auf, um den kleinen Fortschritt zu belohnen. Er darf sich noch ein wenig frei in der Halle bewegen. Toben will er nicht – nur „Zeitunglesen“. Jeder Rest von Ködelhaufen der fremden Pferde wird eingehend studiert und mit dem Fuß zerteilt.
Zwischendurch besucht er mich in der Bahnmitte, folgt mir einige Meter, um dann weiterzulesen. Als ich dann mit ihm aus der Halle will, sagt wieder ganz klar: Nein, ich gehe nicht. Ich stehe draußen, er drinnen, beiden gucken wir uns an. Er fängt an zu scharren, ich denke: Vielleicht will er sich noch mal wälzen? Und gehe mit ihm zurück. Nein, er will sich nicht noch mal wälzen, er will nur scharren. Oder sich den Kopf an der Tür kratzen – oder einfach drin stehen und rausgucken.
Zum Glück liegt auf der Bande eine weiche Dressurgerte. Die benutze ich, tippe ihm damit auf die Kruppe – und schwups ist er mit mir aus der Halle. Ich könnte schwören, dass er dabei auch noch pfeift…..
Ich bin schon gespannt, wie es weitergeht.
31. März. 2009 | Pferde in meinem Stall
Gestern war unser Stalltreffen, das wir in unregelmäßigen Abständen ca. zweimal im Jahr abhalten. So hatten die Pferde Pause. Ich nutzte den Abend, meinen beiden ihre fällige Wurmkur zu verpassen. Mit Handschuhen, Halfter und Strick bewaffnet näherte ich mich auch Donovan.
Aber entgegen aller Befürchtungen, ließ er sich ganz einfach entwurmen. Die Paste schmeckte ihm zwar nicht, er flehmte entsetzlich, versuchte vergeblich, sie wieder auszuspucken, aber er war auch nicht tödlich beleidigt.
Heute Abend muss er jedenfalls wieder ran.
31. März. 2009 | Ausbildung
Sonntag
Susanne, eine Arbeitskollegin kam mich besuchen, um „den Neuen“ mal zu begutachten. Donovan zeigte sich von seiner besten Seite, kam an den Zaun, ließ sich kraulen, gab sich freundlich. Nach einem kleinen Schwätzchen beschlossen wir, dass ich Donovan auch mal in der Halle vorführe. Vor allem hatte sie noch ein bisschen Zeit und bot an, mich zu filmen.
Filmaufnahmen sind mir zurzeit stets willkommen. Sie sind später mal ein wertvolles Zeitdokument. Gesagt, getan.
Während Susanne auf der Bank saß, die Kamera im Anschlag, führte ich vor, wie fein Donovan neben mir gehen, anhalten und auf Kommando Rückwärtsgehen kann. D.h.: wollte ich vorführen! Donovan rammte seine vier Beine in den Boden sagte „Nein“. Ich kam nicht weit genug hinter ihn, um ihn am Hintern voranzutreiben. Er war im Rückwärtsgehen schneller.

Nach einem Minutenlangen Versuch brach ich ab, ließ Donovan im Kreis um mich laufen, anhalten und die Richtung mehrfach wechseln. Wenigstens das funktionierte leidlich – allerdings schüttelte er dabei ungestüm sein Kopf rauf und runter.
Das anschließende Führen klappte wieder nicht. Na gut, muss dann heute ausfallen. Ich werde mir was überlegen, das Führen anders anzustellen. Ich kriegte ihn nur neben mir laufend, in dem ich mit dem Carrot-Stick hinter mich auf seine Kruppe tippe.

Den Carrot-Stick im Anschlag, falls er stehen bleibt…
Tut er aber nicht mehr…

Vorbildliches Halten mit Stecken gegen die Bande geklopft
Mal sehen, was der morgige Tag bringt….
29. März. 2009 | Pferde in meinem Stall
Cera ist eine Westfälische Warmblutstute. Ich habe sie vor vier Jahren Vierjährig im November vom Aufzüchter Klaus Knickrehm in Großensee gekauft. Er ritt sie mir vor, und ich war ganz begeistert von ihrem gewaltigen Schritt und ihrem ruhigen Wesen in allen Gangarten. Die Halle dort ist ein Traum, Glaswände fast bis zum Boden, riesengroß und taghell. Cera war nicht eingeflochten, aber mit weißen Bandagen und weißer Schabracke aufgerüscht. Ein wirklich tolles Bild. Obwohl ich ja eigentlich nicht wollte, habe ich sie dann gleich beim ersten Besuch probegeritten. Es war ein Traum. Sie war erst drei- bis vier Wochen geritten, ging aber sicher und willig in allen Gangarten, auf beiden Händen.
Eine Woche später zog sie bei mir ein. Das Ersttraining mit ihr war natürlich viel leichter als mit Donovan, da sie an den üblichen Umgang beim Putzen und Reiten gewöhnt war. Der erste Ritt in meiner Halle ein paar Tage später abends nach der Arbeit war allerdings der totale Reinfall. Sie war ängstlich, guckig, wollte nicht recht vorwärts, schlug mit dem Kopf.
Na prima, habe ich damals noch geacht. Da hast du dir ja was angelacht… Mir ist dann später klargeworden: Sie war bis zu dem Zeitpunkt immer vormittags im Hellen gearbeitet worden und immer in Pferdegesellschaft. Die nächsten Tage bin ich dann nur geritten, wenn noch andere Reiter in der Halle waren.
Aber trotzdem war rasch klar: Alleine würde ich sie nicht anständig reiten können. Ich brauchte Unterricht. Und zwar nicht den alltäglichen FN-Unterricht, sondern irgendwas Klassisches. Mit Unterricht in der akademischen Reitweise von Bent Branderup kam ich nicht zurecht. Die Pferde dürfen dort nur gebogen auf kleinen Kringeln überwiegend im Schritt gehen. Und der fleißige Trab wird durch Zirkelverkleinern und Volten ausgebremst. Das klappte bei Cera gar nicht, und ich wollte diese kleinen Kringel mit einem vierjährigen Pferd auch noch nicht reiten.
So kam ich zur klassisch-iberischen Reitweise, die Monika Amelsberg unterrichtet. Bei ihr habe ich die ersten drei Jahre Unterricht genommen. Zwischendurch habe ich sie Parellimäßig ausgebildet. Sie geht auf Fingerzeig rückwärts und auf dem Zirkel, galoppiert auf ein Fingerzeichen an. Ich kann sie vorwärts und rückwärts verladen – mit und ohne Halfter, und wenn sie gut drauf ist, kann ich mit ihr sogar ohne Halfter und Strick spielen.
Mit der Dressurausbildung allerdings kam so einiges ins Stocken. Wir kamen nicht recht voran. Da erinnerte ich mich an die Videos von Herrn Stahlecker, die ich bereits zwei Jahre zuvor bestellt und mit Bewunderung gesehen hatte. Damals hatte ich mit Cera auch erste Übungen daraus versucht, aber es hatte so gar nichts klappen wollen. Den neuerlichen Versuch muss ich wohl intensiver und zielgerichteter angegangen sein. Denn nun war Cera mit Feuereifer bei der Sache.
Inzwischen ist sie schon fast ein Jahr in der HSH-Ausbildung und lernt täglich dazu. Sie hat ihren ganzen Körper umgeformt, ist viel kräftiger im Hals und in der Hinterhand geworden. Und: Unser Verhältnis, das durch die Parelli-Arbeit ja schon nicht schlecht war, hat sich um 100 Prozent verbessert. Seit Januar reite ich Cera auch wieder (nach 7 Monaten strikter Handarbeit) und versuche, die Philosophie der HSH-Methode auch aufs Reiten zu übertragen.



