Anton macht mit

Das, was ich alles über Donovan sagen muss, trifft für Anton überhaupt nicht zu. Der ist willig bei der Arbeit und freut sich, wenn er was tun darf. Ich habe ihn jetzt zwei Mal hintereinander geritten – mit Sattel und Trense. Das Gebiss akzeptiert er, aber er mag es nicht besonders. Ich reite mit hingegebenem Zügel auf einem großen Zirkel im Schritt mit vielen großen Biegungen links wie rechts herum. Anton soll lernen, auf Gewichtsverlagerung zu wenden. Am Zügel zupfe ich ein wenig, um die neue Richtung vorzugeben.

Dazwischen immer wieder anhalten durch Ausatmen und Entspannen. In der letzten Reiteinheit ist er sehr fleißig gegangen, hat sich mit meinem Gewicht gut arrangiert.

Ich werde das Reiten ein bis zwei Mal die Woche einstreuen. Ansonsten muss er Handarbeit machen. Er kann die große Schaukel inzwischen gut in kleinen Schritten. Sie müssen noch etwas regelmäßiger werden, damit ich sie dann irgendwann schneller machen kann – für die kurzen Tritte.

Ansonsten macht auch er das Programm von Donovan mit. In wenigen Tagen werde ich mit ihm die große Schrittpirouette einbauen können…

Grenzen setzen

Donovan will und kann sich einfach nicht anständig unterordnen. Ich komme zwei, drei Tage gut mit ihm voran und dann hat er wieder einen “du-kannst-mich-mal”-Tag.

Er konnte schon wunderbar in gesetzten Schritten für gut 10 Meter rückwärts weichen, während ich an seiner Kruppe mitging. Seit zwei Tagen geht er wieder total breitbeinig, versucht, in die Hallenmitte zu driften oder sich mit Kopf zu mir umzudrehen.

Anweisung von Fritz Stahlecker: Ich soll mit ihm das spontane Antreten üben. Erst im Schritt, später auch im Trab und Galopp. Wenn ich Donovan dabei auf einer sehr großen Volte habe und in der Mitte stehe mit der Führleine in der Hand, klappt es ganz gut. Sogar im Trab. Meine Aufgabe ist aber: Donovan soll das an den langen Leinen machen. D.h. dass die Außenleine um seine Hinterbeine herumläuft. Die Leine selbst stört Donovan nicht. Aber die Tatsache, dass er so deutlich mehr eingegrenzt ist. Er spürt instinktiv, dass ich so mehr Macht über ihn habe. Und das passt ihm nicht.
Immer wieder fällt er in sein altes Muster zurück und er zerrt an den Ausbindern (die nicht besonders kurz sind!), steckt den Kopf nach unten, dass er sich fast den Sattel über die Ohren zieht. Den Klaps, den er sich dafür einfängt, muss ich gut dosieren – sonst geht die Luzie ab! 

Ich versuche nun, schräg hinter ihm auf dem Zirkel mitzugehen, um die Spannung der Außenleine zu verringern. Der erste Tag war wirklich zum Jammern, gestern hat er ein bisschen besser mitgemacht.
Heute war er wieder der alte Sausack. Er testet alles Material auf seine Festigkeit. Noch halten Kappzaum, Leinen und Ausbinder…

Kriegt er einen Klaps mit der Gerte, weil er einfach nicht zuhört, steht ihm die pure Entrüstung im Gesicht! Was ich mich unterstehe, ihm Vorschriften zu machen!

Ich trage es mit Humor. Ziehe stur mein Programm durch. Das spontane Antreten und vor allem das anschließende Durchparieren klappte heute nur mäßig. Dafür ging er einigermaßen willig rückwärts. Wenn mir das prompte Antreten einmal gut gelingt, ist das die halbe Miete, weil Donovan dann gelernt hat, sich zu fügen. Die anderen Übungen werden mir dann in den Schoß fallen, weil Donovan außergewöhnlich gelenkig und biegsam ist. Das gilt für seinen Körper, noch nicht für seinen Geist und seine Einstellung zur Arbeit.

Wenn ich ihn angehalten habe, lasse ich ihn so lange stehen, bis er ein Zeichen von Entspannung zeigt. Das kann schon mal 30 Sekunden dauern. Dann darf er wieder antreten. Vielleicht hilft ihm das, schneller zu entspannen. 

Was supergut geht, ist das Geradestehen. Wenn ein Fuß nach hinten raussteht genügt die Stimme, und er rückt sich zurecht. Immer öfter tut er es auch von ganz alleine, wenn ich ein, zwei Sekunden warte.
Also kleine Lichtblicke gibt es schon. Aber insgesamt steckt da doch deutlich mehr Arbeit drin, als ich es mir gedacht habe. 

Eines Tages werde ich mit ihm piaffierender Weise durch die Halle tänzeln! Dann gibt es ein rauschendes Fest für alle. Versprochen!

Ein ganz normaler Pannen-Tag…

Heute steckte irgendwie der Wurm drin. Es fing damit an, dass ich – nachdem ich mit den beiden “Jungs” in der Halle gearbeitet hatte – die Dreieckswiese inspizieren wollte. Sara hatte entdeckt, dass an einer Stelle die Stromkordel aus der Halterung gesprungen ist.

Ich mache also das Tor ein wenig auf, um durchzuschlüpfen, als mir eine kräftige Windboe das schwere Ding aus der Hand nimmt und ich nicht schnell genug nachfassen kann. Mein Schulter will nicht immer so wie ich will.

Donovan und Anton waren eigentlich IM Stall und verzehrten die Reste ihres Heus. Aber ganz offensichtlich hatten sie mich beobachtet, und Anton war der erste, der das offene Tor wahr nahm. Das Tor ist drei Meter breit – zu breit um den Überweg mit meinen Armen abzusperren. Und Anton zog flotten Trabs stolz an mir vorbei, Donovan an seiner Schweifrübe. Dann sind sie wie die Irren über die Weide gelaufen: Gebockt, getobt, galoppiert, geschnorchelt, Stert hoch!

Was haben sie diese unerwartete Freiheit genossen! Nun hatte ich ja schon den Strom ausgeschaltet, weil ich ja den Zaun prüfen wollte…

Aber wie sollte ich die zwei Lauser wieder rein bekommen? Rufen half natürlich nicht…

Gott sei Dank ist Anton ein verfressener Bursche. Ich also zurück in die Futterkammer, etwas Hafer in eine Schüssel und dann geklappert. Anton hat das sofort wahr genommen und kam angaloppiert. Donovan dann natürlich auch.

Meine anderen Pferde im Stall hatten das Spektakel natürlich entrüstet verfolgt. Die Jungs sollten toben dürfen und sie nicht? Also habe ich alle auf den großen Paddock gelassen. Was war das für ein Herumgetobe! Schade, dass ich die Kamera nicht dabei hatte. Alle sind sie wie wild um den Roundpen gelaufen, alle haben gebuckelt und sich in den Dreck geschmissen.

Zwei Stunden später: Der Stall war sauber, jetzt sollten alle wieder rein. Die Pferde kamen nur zögerlich. Asterix, Rasga und Dagobert hatte ich schon “eingetütet”, als die kleine freche Kimberley hoch erhobenen Kopfes an mir vorbeitrabte – aber nicht etwa in ihre Box, sondern raus in die Offenboxen. Dort galoppierte sie ein paar Mal den kleinen Paddock rauf und runter, ehe ich sie wieder Richtung Stall dirigieren konnte.

Inzwischen hatte aber der Wind die Tür zum Stall zugeschlagen, Kimberly konnte nicht weiter. Und von drinnen glotzen Donovan und Anton ihr entgegen.

Was für ein Trara, ehe ich alle in ihren Boxen hatte!

Daraufhin wollte ich erst Mal einen Tee trinken und was essen. Während das Hühnerbrustfilet in der Pfanne brutzelte, gab ich den fertigen Tee in die Thermoskanne (eine Pumpkanne) und stellte sie auf den Schreibtisch.

Es gibt Tage, da entsteht in der Kanne offenbar ein merkwürdiger Druck, der macht, dass der Tee ungewollt herauströpfelt – und zwar recht schnell. Ich sah das, als ich meine Teetasse geholt hatte. Auf dem Schreibtisch breitete sich schon eine beträchtliche Pfütze aus, gefährlich nah an der Computertastatur!

Mit einer Papierrolle habe ich die gröbste Schweinerei weggewischt. Wer mich kennt, weiß, dass ich den Tee sehr süß trinke und ihn schon vor dem Einfüllen in die Kanne zufüge! Während ich also so am Wischen bin, merke ich, dass es streng aus der Küche riecht. Mein Mittagessen! Nun ja, das Hühnerbrustfilet war noch nicht verkohlt, aber hart und trocken und machte seinem Namen “Filet” keine Ehre mehr…

Manchmal gibt es Tage, da muss man viel Humor haben!

Back to the Roots – Zurück zum Anfang

Gute Neuigkeit für alle HSH-Fans: Fritz Stahlecker hat sein persönliches Tagebuch, das er über die Ausbildung seines knapp dreijährigen Hengstes Dürer verfasste, veröffentlicht! Was für ein Einblick in seine Arbeit! Ich kann es allen empfehlen, die sich ernsthaft mit HSH beschäftigen.

Ich habe bisher nur die ersten 50 Seiten gelesen – zwei Mal –, denn die beschreiben klipp und klar die Anfänge. Und ich habe ganz klar meine Fehler entdeckt, die ich in der Ausbildung mit Donovan gemacht habe.

Es liegt in der Natur des Menschen, ehrgeizig zu sein. Dabei übersieht man gern Kleinigkeiten und geht rascher voran, als es in der Ausbildung gut wäre. Mir ist es jedenfalls so ergangen. Bereits in der zweiten Ausbildungswoche in HSH-Ausrüstung probierte ich das Hinterhergehen. Und das funktionierte einigermaßen. Aber eben nur einigermaßen. Warum? Weil ich Schritte übersprungen habe, bzw. sie nicht genug gefestigt habe.

Ich habe zig Mal die HSH-Ausbildungs-DVDs angesehen. Und die erweckten in mir den Eindruck, dass, wenn das Pferd an der Hand gut steht und anhält, man recht zügig mit dem Hinterhergehen beginnt.

In dem neuen Tagebuch liest man nun, dass Fritz Stahlecker ACHT Wochen damit verbringt, neben seinem Hengst herzugehen – auf beiden Händen. In dieser Zeit etabliert er nicht nur das Geradestehen, er übt die große Schaukel (ca. 10 Meter vor und zurück) und die große Schrittvolte, während er in der Mitte steht.

Nach wenigen Wochen hat er sich mit seinem Hengst auf “seine” Sprache geeinigt. Dürer weiß, was Fritz von ihm will, er muss es mit seinem Körper nur noch andeuten, Dürer macht mit.
Zweite – für mich – wichtige Erkenntnis: Die Ausbildungseinheiten sind immer gleich aufgebaut, Übungen finden stets an derselben Stelle in der Halle statt, aber auch immer in derselben Reihenfolge. Das Pferd kann sich dadurch sicher fühlen, weil es weiß, was kommt. Ist eigentlich total logisch, warum habe ich mich nicht daran gehalten?

Neben Vertrauen bringt diese Vorgehensweise auch eine Menge Respekt zwischen Mensch und Tier.
Diese Zeit, die Stahlecker zu Beginn “verplempert” hat, holt er ab dem dritten Monat doppelt auf. Denn wenn er mit dem Hinterhergehen beginnt, gibt es gar keinen Zweifel mehr, wer das Sagen hat. Stahleckers Wort gilt!

Nun sind diese acht Wochen sicher kein Maßstab, den man für alle Pferde anwenden kann. Vielleicht braucht das eine oder andere sogar länger.

Wichtig ist: Stahlecker geht erst dann einen Schritt in der Ausbildung weiter, wenn die vorangegangenen zu 100 Prozent “sitzen”. 

Das ist mir passiert: Ich habe Donovan das korrekte Halten beigebracht, er ging einigermaßen gut rückwärts, ich konnte ihn so leidlich auf dem Zirkel um mich herumlaufen lassen. Aber die Kommandos wurden von Donovan nicht prompt ausgeführt, ich musste ihn manchmal mehrfach dazu auffordern. Ziemlich rasch bin ich hinter ihm hergegangen, habe auch bald ein paar Tritte seitwärts verlangt. Das klappte ebenfalls leidlich. Aber es war nicht gut.

So habe ich Donovan auch beigebracht, “halbe Sachen” sind o.k., werden belohnt. Und weil Donovan nicht immer in HSH-Laune war, fing er an, sich zu wehren, von der Bande abzudriften, keinen fleißigen Schritt mehr zu gehen, nicht immer anzuhalten, wenn ich es wollte. Gebetsmühlenartig habe ich ihn immer wieder dazu aufgefordert – und Donovan wahrscheinlich in den Schlaf geredet.

Aber es ist ja immer gut, wenn man Fehler erkennt, dann kann man was verändern. Das tue ich seit drei Tagen, und schon jetzt stellt sich ein erster Erfolg ein!

Wie in den vorangegangenen Posts erwähnt, hatte ich ja zwischendurch das Longentraining ins Programm genommen. Jetzt steckt Donovan wieder in voller HSH-Montur, und ich gehe neben ihm her.
Unser einziges Programm: Er muss anhalten und gerade stehen, eine große Strecke rückwärts gehen – OHNE, dass ich ihn ziehen oder buffen muss, und ich lasse ihn auf einer großen Volte um mich herumgehen und –traben. Das Stimmkommando hält ihn an. Diese Übungen mache ich auf beiden Händen – immer in der gleichen Reihenfolge und an denselben Stellen in der Halle. Nun, nach nur drei Tagen kann ich schon erkennen, wie Donovan anfängt, besser mitzumachen. Er hat seine Wehrigkeit aufgegeben. Er geht zügig und freiwillig rückwärts, wenn ich an seiner Kruppe gehe (ich gehe dann vorwärts). Und auch seine “schwierige” Hand, die rechte, klappt immer flüssiger.

Wenn ich mein Programm durchgezogen habe, sind ca. 15 Minuten vergangen. Das klingt kurz, war dann aber sehr konzentriert. Wenn genug Zeit ist, befreie ich ihn dann von Sattel und Kappzaum, und Donovan darf sich noch mal wälzen und mit mir rumspielen, bzw. ich mit ihm. Zaghaft entsteht eine ernste Partnerschaft!

P.S. Das Dürer-Tagebuch könnt ihr bei mir bestellen (ich habe einige wenige Exemplare da) oder natürlich auf der Seite von Fritz Stahlecker.

Ich hoffe, dieser Beitrag macht euch Mut, auch mal ein paar Schritte zurückzugehen, um es besser zu machen.

Die neue Vorgehensweise gilt auch für Anton

Das, was ich für Donovan herausgefunden habe, wende ich nun auch für Anton an. Anton hat ein deutlich anderes Temperament, gibt sich manchmal etwas büffelig und wehrt sich, wenn er nicht genau verstanden hat.

Auch mit ihm ziehe ich das Startprogramm konsequent durch. Er geht ebenfalls in voller HSH-Ausrüstung und – für ihn neu – mit Trense und Kappzaum. Beeindruckend sind seine Fortschritte im Rückwärtstreten. Das kommt inzwischen ruhig, gerade und willig. Auch das Traben an der Longe ist deutlich geregelter geworden, er hält auf Kommando an.

Ich bin gespannt, wie es mit den beiden in den nächsten Tagen weitergeht. So wie es zurzeit aussieht, werde ich mit Anton in ein paar Tagen die Tritte im vorwärts und rückwärts verkürzen…